Liebesgedichte lesen und schreiben: eine Unterrichtsanregung für das 9. Schuljahr

Der Unterrichtsvorschlag hat zum einen zum Ziel, den Schülerinnen und Schülern im 9. Schuljahr einen persönlichen Zugang zu Liebesgedichten zu ermöglichen. Sie sollen möglichst selbständig untereinander über Gedichte ins Gespräch kommen, sich über eigene Leseerfahrungen austauschen können und ihr Urteil über Texte begründen lernen.
Zum anderen sollen sie dazu angeregt werden, ihre Gefühle und Gedanken zur Thematik in selbst verfassten «verdichteten» Texten zu gestalten.

von Max Hürlimann

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Zum Vorgehen

Die Schülerinnen und Schüler erhalten zunächst eine Auswahl an Liebesgedichten, ohne Titel und ohne Angabe der Autorin oder des Autors, dazu einen Lektüreauftrag für eine erste Auseinandersetzung mit den Texten in Einzelarbeit (siehe Material 1 und Auftrag 1). Diese Arbeitsvorschläge müssen nicht vollständig «abgearbeitet» werden, ihre Funktion ist es, die Auseinandersetzung mit den Texten anzuregen und eine Basis für die folgenden Gesprächsrunden zu legen.

In einer ersten Gesprächsrunde tauschen sich die Schülerinnen und Schüler über ihre ersten Lektüreeindrücke in selber moderierten Gruppen aus (Auftrag 2). Die Aufträge sind als offene Impulse gedacht, die das Gespräch unter den Jugendlichen anregen sollen. Diese bestimmen selber, mit welchen Texten und mit welchen Aspekten sie sich intensiver auseinandersetzen wollen.

Für das anschliessende Gespräch im Plenum können die folgenden Fragen Ausgangspunkte sein:
– Welches Gedicht gefällt euch persönlich am besten (oder: mit welchem Gedicht könnt ihr gar nichts anfangen?)
– Welches Gedicht stammt von einer fünfzehnjährigen Schülerin?
– Welche Gedichte sind wohl von einer Frau, welche von einem Mann verfasst?
– Welcher Titel passt am besten zu einem Gedicht?

Für diese Fragen braucht es zunächst einmal kein Vorwissen, jede(r) kann dazu eine Meinung haben. Aus diesem Grund können sich grundsätzlich alle Schülerinnen und Schüler aktiv am Gespräch beteiligen. Ziel ist ein angeregtes und anregendes Gespräch über einen Teil der vorliegenden Texte. Eine möglichst überzeugende Begründung der eigenen Vermutungen und Meinungen verlangt dann allerdings einen genauen Blick auf die Texte. Mindestens implizit werden in diesen Gesprächen erfahrungsgemäss Aspekte wie die thematische Entfaltung, das Lyrische Ich oder die verwendeten sprachlichen Gestaltungsmittel behandelt.

Ausgewählte Gedichte können, müssen aber nicht in einer Folgestunde vertieft behandelt werden. Die Schülerinnen und Schüler können dazu Internetrecherchen durchführen, Informationen zum Entstehungshintergrund, zur Gestaltungsweise usf. zusammentragen.

Als weitere Vertiefungsmöglichkeit bietet sich das Selberschreiben von eigenen Gedichten an. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Schülerinnen und Schüler nach neun Schuljahren mindestens mit einem Teil der im Schreibauftrag (3) aufgeführten Vorschläge vertraut sind. Selbstverständlich bleibt es bei einer so persönlichen Thematik den Verfasserinnen und Verfassern überlassen, ob sie ihre Texte für eine Veröffentlichung beispielsweise in einer kleinen «Klassenbroschüre» zur Verfügung stellen.

Auftrag für Einzellektüre

1. Lies die Gedichte zunächst mindestens einmal durch.

2. Arbeite danach an folgenden Aufträgen:
– Wähle das Gedicht aus, das dir am besten gefällt (falls du möchtest: wähle auch das Gedicht, das dir am wenigsten gefällt).
– Ein Text stammt von einem 15-jährigen Mädchen. Welcher?
– Formuliere zu möglichst vielen Gedichten einen passenden Titel.

Zusatzaufgabe bei genügend Zeit: Welche Gedichte sind von Männern geschrieben, welche von Frauen?

Austausch in Gesprächsrunden (gemischte 4-er Gruppen)

Ein Gruppenmitglied übernimmt die Rolle der Moderatorin/des Moderators und achtet darauf, dass möglichst für alle unten stehenden Aufträge genügend Zeit eingesetzt wird.

1. Diskutiert, welches Gedicht wohl von einem 15-jährigen Mädchen geschrieben wurde. Sammelt möglichst viele stichhaltige Begründungen für eure Entscheidung.

2. Wählt zwei bis drei Gedichte aus, die ihr in der Gruppe genauer besprecht. Bei jedem dieser Gedichte bearbeitet ihr u. a. die folgenden Aufträge:
– Vergleicht die Titel, die ihr diesen Gedichten gegeben habt, und erklärt einander, weshalb ihr gerade diesen Titel gewählt habt.
– Wählt in der Gruppe für jedes der besprochenen Gedichte einen Titel aus, den ihr gut lesbar auf ein Plakat schreibt (mit der Nummer des Gedichtes).
– Weitere Aspekte, die ihr beim Gespräch über die Gedichte miteinbeziehen könnt, findet ihr auf der folgenden Seite.

Falls die Zeit reicht:

3. Diskutiert, ob die Gedichte jeweils von einer Frau oder einem Mann geschrieben wurden.

Vorschläge für Schreibaufträge

1. Verdichten:
Ihr verfasst einen kurzen Text, bestehend aus etwa fünf bis sieben Sätzen zum Thema, dann arbeitet ihr mit den bekannten Proben:
– Wegstreichprobe (alle Wörter, die es «nicht unbedingt braucht», weglassen)
– Ersatzprobe (aussagekräftigere Ausdrücke suchen)
– Umstellprobe (Wörter oder Satzglieder verschieben, zusammenfassen)
– Klangprobe (wie klingen die Verse?)

2. Ein Elfchen schreiben:
Das «Elfchen» ist ein kurzer Text aus nur elf Wörtern. Es ist so aufgebaut, dass seine elf Wörter sich auf fünf Zeilen in dieser Weise verteilen:

1. Zeile: 1 Wort, z.B. eine Eigenschaft, eine Farbe, ein Gefühl, …

2. Zeile: 2 Wörter, z.B. eine Person oder ein Gegenstand mit dieser Eigenschaft, dieser Farbe.

3. Zeile: 3 Wörter, z.B.mehr über die Person, die Farbe, den Gegenstand.

4. Zeile: 4 Wörter, mit dem Wort «ich» beginnend, genauere Bestimmung, etwa was das «ich» fühlt, was es tut.

5. Zeile: 1 Wort: ein abschliessendes Wort, ein Gedanke, ein Gefühl, eine Stimmung, …

Beispiel:

3. Ein Akrostichon verfassen:
Gedicht, bei dem die Anfangsbuchstaben, -silben oder -wörter der Verszeilen oder Strophen ein Wort oder einen Satz ergeben.

Beispiel:

Luftsprünge
In den Himmel
Einsamkeit ade
Bis morgen schwebe ich
Ewig?

4. Ein Parallelgedicht schreiben:
Wähle eines der gelesenen Liebesgedichte aus und verfasse einen eigenen Text nach demselben Muster; wenn du willst, darfst du natürlich mit der Form spielen.

Materialien
Die Materialien zu dieser Unterrichtsidee finden Sie auf unserer Website unter: http://www.fhnw.ch/ph/zl/publikationen/rundschreiben-zentrum-lesen

Weiterführende Informationen
Weiterführende Informationen und weitere Gedichte:
http://gedichte.xbib.de/
http://www.lyrikline.org/

 

Literatur

K. H. Spinner (2006): Literarisches Lernen. Basisartikel in Praxis Deutsch. Heft 200. Friedrich Verlag in Velber 2006.

C. Kammler (2009): Lyrik verstehen – Lyrik unterrichten. In: Praxis Deutsch. Heft 213. Friedrich Verlag in Velber 2009.

Schreiben wirksam fördern. Lernarrangements und Unterrichtsentwicklung für alle Stufen

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Multiple Dokumente verstehen und verarbeiten: Anforderungen und Förderansätze

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