Juliane Pickel: Rattensommer

Dieser Sommer ist tierisch heiss. Und es stinkt: Eine Art Modergeruch, der Ratten anzieht, liegt über der Stadt. Lou und Sonny verbringen ihre Zeit meist in einem stillgelegten Schwimmbad. Beide sind gut 15 Jahre alt, sie haben zwar sehr unterschiedliche Charaktere, kennen einander aber so gut, dass sie zusammen gehören wie zwei Hälften eines Ganzen. Lou denkt über vieles nach und ist eher introvertiert. Sonny wirkt nach aussen bärenstark, handelt impulsiv und ist innendrin gleichzeitig sehr verletzlich. In diesem Sommer wird nun aber vieles anders. Hegen Bender taucht plötzlich wieder auf. Er, der Schuld am Tod von Sonnys Mutter ist, wurde aus dem Gefängnis entlassen und lebt wieder auf freiem Fuss. Sonny wirft dies völlig aus der Bahn. Sie will sich an ihm rächen und ist völlig besessen davon, diesem Typen auf irgendeine Weise weh zu tun. In diesem Sommer ändern sich aber auch Lous Gefühle für Sonny. Empfindungen, die sie bis anhin nicht kannte, riesenstark und verwirrend, dies vor allem dann, wenn sie Sonny nah ist. Manchmal wird Lou eifersüchtig und immer wieder gibt es deswegen auch Streit zwischen den beiden. Sonny lässt sich nicht anbinden, sie war schon immer eine, die sich einfach alles traut, oft keine Grenzen kennt und ihren starken Willen durchsetzt, egal wie. Dies zeigt sich nun auch bei den Racheplänen am Mörder ihrer Mutter. Lou soll ihr dabei bedingungslos helfen. Die Liebe zu Sonny stellt Lou auf eine harte Probe, sie fühlt sich zu Sonny hingezogen, gleichzeitig will sie aber nicht, dass weiteres Unheil passiert. Immer stärker wird ihr Loyalitätskonflikt. Sie kann und will Sonny nicht verlieren, gleichzeitig weiss sie dass dieses Mädchen Schutz braucht, die Sache ist einfach zu gefährlich. Ganz zum Schluss ist Lou um viele Erfahrungen reicher, sie ist gewachsen und will nicht mehr nur eine Hälfte, sondern selbst ein Ganzes sein.
Lou erzählt die Geschichte dieses Sommers selbst. Sie ist ein empfindsames Mädchen, spürt vieles auf, was unter den Teppich gekehrt wurde und wohl deshalb so gewaltig stinkt. Sensibel und stellenweise voller Selbstironie berichtet sie von diesem schwierigen Balanceakt, den so viele Jugendliche auf der Suche nach sich selbst erleben. Es ist aber nicht nur die innere Entwicklung der Protagonistin, die dieses Buch so lesenswert macht, es ist zudem der unglaublich spannende Plot. Auch in ihrem zweiten Buch beweist Juliane Pickel ihr Können. Diese Mischung von spannendem Krimi und Entwicklungsroman gelingt ihr hier genauso perfekt wie in ihrem Erstlingswerk «Krummer Hund», das für den deutschen Jugendliteraturpreis nominiert wurde. Für Jugendliche, auch zum Vorlesen geeignet.

Juliane Pickel: Rattensommer. Beltz 2023. ISBN: 978-3-407-75687-9

Rezension: Maria Riss

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