Roddy Doyle: Wildnis

Dieses Buch erzählt parallel zwei Geschichten, Ereignisse, die sich in ein und derselben Familie abspielen. Da ist einerseits die siebzehnjährige Grainne, die nach 15 Jahren ihre leibliche Mutter wiedertrifft. Ihre Mutter hat sie damals verlassen, ist einfach nach Amerika abgehauen. Grainne bezwingt ihre Enttäuschung und Wut und schafft es, ihrer Mutter nach so langer Zeit einfach zuzuhören, hilft ihr auf diese Weise, mit der Vergangenheit besser klar zu kommen, mit den immensen Schuldgefühlen auch. Da sind andrerseits die zwei sehr viel jüngeren Brüder Tom und Jonnhy aus der zweiten Ehe des Vaters. Grainnes Stiefmutter Sandra ist mit den beiden Kleinen in den Norden Finnlands gefahren, sie lernen dort den Umgang mit Hundeschlitten. Nach einem der Ausflüge warten die beiden Jungen am Abend vergeblich auf ihre Mama . Sofort bricht ein Suchtrupp auf, Mama aber bleibt spurlos verschwunden. Da machen sich Tom und Jonnhy mit zwei Hundeschlitten selbst auf die Suche. Sie finden ihre Mutter schwer verletzt und halb erfroren in einem kleinen Tal. Wie man Feuer macht, das wissen die beiden und so überstehen die drei in beissender Kälte und eisigem Schneesturm eine unheimliche und lange Nacht.

Erst allmählich wird einem beim Lesen klar, was die beiden so unterschiedlichen Geschichten miteinander verbindet: Es sind die starken Kinder. Sie sind es, die den Erwachsenen in diesen schwierigen Situationen überlegen sind, ihnen weiterhelfen oder ihnen gar das Leben retten. Dies nachzulesen ist eindrücklich, ergreifend, weil der Autor wie der Übersetzer so genau und eindringlich erzählen. Die äussere Handlung – das Überleben im Schnee – wie auch die differenzierte Beschreibung innerer Handlungsfolgen lassen einen das Buch nicht mehr weglegen. Da die Schauplätze ständig wechseln, ist die Lektüre anspruchsvoll, aber umso lohnenswerter. Für Lesende ab etwa 13 Jahren.

Aus dem Englischen von Andreas Steinhöfel

Rezension: Maria Riss

Roddy Doyle: Wildnis. cbj Random House, 2010.

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