Mirjam Pressler: Dunkles Gold

Laura ist fast 16 Jahre alt und lebt in Erfurt. Ihre Mutter ist Kunsthistorikerin und forscht rund um den so kostbaren Goldschatz, der vor ein paar Jahren in Erfurt ausgegraben wurde. Laura interessiert vor allem, weshalb dieser Schatz im Jahr 1349 von einem jüdischen Kaufmann vergraben wurde. Aus diesem Stoff will sie eine Graphic Novel zeichnen, denn Zeichnen, das kann sie. Momente, Stimmungen und Gefühle mit dem Stift einfangen, dies macht sie für ihr Leben gern. Weil sie deshalb mehr über die jüdische Geschichte erfahren will, spricht sie Alexej an, einen jüdischen Jungen in ihrer Schule. Von Alexej erfährt sie so vieles, nicht nur über das Judentum, sondern auch über die Geschichte seiner Familie während dem Holocaust und vor allem über den immer noch herrschenden Antisemitismus. Alexej und Laura, sie verlieben sich ineinander, innig und einmalig schön. Im zweiten Handlungsstrang des Romans wird die ergreifende Geschichte einer Flucht erzählt. Rachel steht hier im Mittelpunkt. Sie lebt im Mittelalter in der gleichen Stadt und muss mit ihrem Vater und ihrem Bruder Joshua vor dem Pestpogrom fliehen. Bevor sie sich aufmachen, verstecken sie ihr ganzes wertvolles Vermögen in einem Loch im Keller. Schon nach ein paar Tagen unterwegs wird ihr Vater ermordet, ihr Bruder schliesst sich einem Gaukler an und Rachel muss den so beschwerlichen Weg schliesslich alleine schaffen. Ihre Flucht führt sie nach Polen, dort soll es mit der Judenverfolgung nicht gar so schlimm sein. Dass Rachel Jüdin ist, das muss aber auch dort geheim bleiben.
Mirjam Pressler erzählt in einer zarten, bildhaften Sprache von diesen beiden starken jungen Mädchen, die beide ihren Weg suchen, stolpern, wieder aufstehen, und die sich zum ersten Mal verlieben. Ganz wunderbar ist ihr auch in diesem Buch die Schilderung der anderen Figuren gelungen, behutsam, oft zärtlich beschreibt sie diese so, dass man sie vor sich sieht und zu kennen glaubt. Auch im neuen und leider letzten Buch von Mirjam Pressler stehen all die Themen, die ihre Werke immer wieder auszeichneten im Mittelpunkt: Geschichte und Gegenwart, Antisemitismus und Toleranz, eine vorwärtsblickende Haltung zum Leben hin und der Wunsch nach einem Leben in einer von gegenseitigem Respekt geprägten Welt. Die beiden Geschichten sind so präzise und eindringlich erzählt, dass sie Spuren hinterlassen, nachdenklich stimmen. Ein Buch voller Wahrheiten, spannend und wunderschön zu lesen.

Mirjam Pressler: Dunkles Gold. Beltz 2019. ISBN: 978-3-407-81238-4

Nachgedanken

Mirjam Presslers Werke stehen allesamt im Zeichen der Aufklärung. Kinder und Jugendliche sollen Bescheid wissen, und sie hat damit für das Kinderbuch neue Massstäbe gesetzt. Kinder ernst nehmen, heisst auch, ihnen die Wahrheit nicht zu verschweigen. «Durch Verschweigen und Verbergen wird die Welt nicht heiler, man bekommt nur Bauchweh davon». In ihren Büchern keimt aber auch Hoffnung auf und ihre Heldinnen und Helden sind geprägt von einem starken Willen zum Leben und zu Veränderungen. Mirjam Presslers Bücher sind allesamt von hoher literarischer Qualität, nicht nur in den Büchern für Jugendliche, sondern auch in jenen für jüngere Kinder. Einfach zu schreiben, dicht und präzise, diese hohe Kunst beherrschte die Autorin wie kaum jemand sonst.
Für das Zentrum Lesen war Mirjam Pressler immer mehr als eine berühmte Autorin, sie war eine treue Gefährtin und Freundin. Sie war angetan von den Leuten, die, wie sie selber, ein zentrales Ziel verfolgten: Kinder zum Lesen zu bringen. Denn davon war sie überzeugt «Lesen hilft zu begreifen, warum die Welt in der man lebt, ist, wie sie ist, wie Geschichte verlaufen ist und sich Dinge entwickelt haben». Bereits 1986 kam sie zum ersten Mal zu uns, damals noch an die HPL in Zofingen. Immer wieder war sie bereit, unsere Arbeit mit unvergesslichen Lesungen und Gesprächen zu unterstützen. Sie wird uns nicht nur als Autorin, sondern auch als Begleiterin und Freundin fehlen und in unvergesslicher Erinnerung bleiben.

Maria Riss

Titjan Sila/Lena Schneider: Lila Leuchtfeuer. Geh nicht nach Nimmeruh!

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