Davide Morosinotto: Die dunkle Stunde des Jägers

Die Geschichte spielt vor etwa 12’000 Jahren.
Plötzlich ist alles weg, was dem etwa 13-jährigen Roqi lieb und teuer war. Während er mit Ama und vier seiner Freunde auf der Jagd war, hat ein schreckliches Feuer das ganz Dorf zerstört. Seine Familie, der ganze Stamm und all das, was sich die Menschen zu eigen gemacht haben, ist einfach nicht mehr da. Die Jugendlichen sind ab sofort allein in der immens grossen Wildnis, wo das Überleben ihnen alles abfordert und überall Gefahren lauern. Sie bauen sich einen Unterschlupf, fangen Fische, flechten Seile und erjagen sich ab und zu ein Tier. Aber allen ist bewusst, sie müssen weg, einen neuen Stamm finden, denn nur in einer grossen Gemeinschaft werden sie auf die Dauer überleben können. So zieht das Grüppchen los, dem Fluss folgend Richtung Süden. Nach einer schrecklich langen Wanderung sind alle am Ende ihrer Kräfte, aber sie treffen endlich auf eine Siedlung. Jetzt erwartet sie allerdings die grösste aller Herausforderungen: Um von diesem Stamm aufgenommen zu werden, müssen sie sich erst bewähren.
Wie in all seinen Büchern versteht es Davide Morosinotto meisterhaft, spannende Abenteuergeschichten zu schreiben. Auffallend am vorliegenden Buch ist nebst dem Sog in der Handlung auch die bildhafte, kreative Sprache, so ist etwa von Tieren wie Ästeschädel (Hirsche) Sturzgreifern (Raubvögel) oder Panzertieren (Nashörner) die Rede. In kurzen Episoden erzählt der Autor vom Überlebenskampf dieser kleinen Gruppe. Nicht alles läuft gut, der Tod lauert überall und nicht alle sind genug kampferprobt. 
Es ist nicht nur diese äusserliche Spannung, die fasziniert. Es sind auch die inneren Sichtweisen der so unterschiedlichen Figuren. Allen voran Roqi, der diese Geschichte aus seiner Perspektive erzählt. Er steht an der Schwelle zum Erwachsenwerden, kämpft mit seiner neuen Rolle, seinem Selbstwertgefühl und muss eigentlich viel zu früh eine zu grosse Verantwortung übernehmen. Besonders reizvoll und gelungen sind im vorliegenden Buch auch die zahlreichen schwarzweiss Bilder, sie spiegeln die unterschiedlichen Stimmungen und machen die archaische Natur besser vorstellbar. Ein in jeder Beziehung überzeugendes, lesenswertes Buch, das sich zudem hervorragend zum Vorlesen eignet. Für Kinder ab etwa 12 Jahren. 280 Seiten.

Davide Morosinotto: Die dunkle Stunde des Jägers. Mit Bildern von Fabio Visintin, aus dem Italienischen von Cornelia Panzacchi. Thienemann-Esslinger 2023. ISBN: 978-3-522-20288-6

Rezension: Maria Riss

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