Buch des Monats Oktober 2022

Josefine Sonneson: Stolpertage
Jette kann zurzeit nicht ruhig gehen, sie stolpert ständig. Zu vieles verändert sich: Mama und Papa, die einander verloren haben und sich trennen, ein Umzug weg vom Vertrauten in eine neue Wohnung. Hannes, der neue Wegbegleiter ihrer Mutter, der sich einnistet und dauernd unpassend im Weg steht. Jettes allerbeste Freundin Walli, die weggezogen ist, und von der Jette sagt, dass sie sich kennenverlernt haben. Und jetzt ist auch ihr geliebter Opa schwer krank, man kann nur noch Kreiselgespräche mit ihm führen. Veränderungen sind schwierig, sie verunsichern, zwingen dazu, sich neu zu orientieren, andere Gedanken zuzulassen, sich auf Unbekanntes einzulassen. Jette gehört nicht zu jenen Menschen, die einfach reinspringen ins kalte Wasser. Sie denkt viel nach, versucht ihre Überlegungen in Worte zu fassen. Selbst als sie zusieht, wie Opa stirbt, versucht sie ihre Gefühle zu beschreiben: Von einem Moment zum andern, kann ich meinem Opa nicht mehr Du sagen. Plötzlich ist Opa ein Stillleben. Aber Jette ist auch stark, vielleicht gerade, weil sie so differenzierte Überlegungen anstellt. Sie freundet sich mit Ida aus der Theatergruppe an. Ida ist ihr ähnlich. Ida versteht Jettes Stolpern und hält ihr ab und zu hilfreich den Arm, damit sie nicht hinfällt. Jettes ältere Schwester zieht es weg von daheim, aber sie verspricht, Jette sofort anzurufen, wenn sie die ersten Zeichen des kommenden Sommers entdeckt. Und ganz zum Schluss, da klingelt Jettes Telefon, der Sommer ist endlich da.
Josefine Sonneson schreibt in einer einfachen, ruhigen Sprache. Manche Sätze sind so wunderbar treffend formuliert, dass man sie mehr als einmal lesen möchte: Manchmal ist der Himmel zu gross, dann hilft es, ein Fernrohr mit den Händen zu formen. Auf so ein Stück Himmel im Blau kann man sich besser konzentrieren. Mit genauso verblüffenden wie geglückten Wortkreationen und Metaphern schafft die Autorin auch sprachlich Raum für Neues. «Stolpertage» ist kein Roman mit breiten Schilderungen. Kurz und pointiert werden Szenen umrissen und Schauplätze gewechselt. Darin wirkt Jettes Stolpern absolut authentisch. Ein überaus vielversprechender Debutroman für Jugendliche genauso wie für Erwachsene.

Josefine Sonneson: Stolpertage. Carlsen 2022.ISBN: 978-3-551-58462-5 Carlsen 2022

Rezension: Maria Riss

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