Buch des Monats August 2022

Stefanie Höfler: Feuerwanzen lügen nicht
Der quirlige Nits und der überkorrekte Mischa, das sind Freunde schon seit immer. In diesem Sommer entdeckt aber Nits zum ersten Mal, dass Mischa ihn anlügt. Mischa, der in allen Schulfächern glänzt und alles über Tiere weiss, Mischa, der so korrekt ist, dass er zum Unterricht immer mit einem weissen Hemd erscheint. Ausgerechnet dieser Mischa tischt seinem Freund plötzlich Lügen auf? Irgendetwas hat sich verändert, muss passiert sein. Kurz darauf nimmt Mischa seinen Freund erstmals mit zu sich nach Hause mit. Was Nits da sieht, verschlägt ihm die Sprache: In Mischas Wohnung gibt es keine Möbel, keine Spielsachen, nur Matratzen und einen leeren Kühlschrank. Endlich beginnt Mischa zu erzählen. Von der Armut, von den vielen Notlügen, von seinem zwar liebevollen, aber völlig überforderten Vater und vom Jugendamt, das ständig diese Frau mit dem Strichmund vorbeischickt. Aber am meisten spricht Mischa von seiner riesengrossen Scham. Er schämt sich für seinen alten Rucksack, die leere Wohnung, er schämt sich für seine Badehose und er schämt sich nicht nur vor seinem Freund, sondern vor der ganzen Welt. Und jetzt ist auch noch sein Vater verschwunden. Schon seit zwei Tagen ist er nicht mehr aufgetaucht und Mischa muss nicht nur für sich selbst sorgen, sondern auch für seine kleine Schwester Amy. Hat dieser finstere Typ mit Lederjacke, vor dem sich Mischas Papa neulich versteckte, etwas mit seinem Verschwinden zu tun? Nits und Mischa machen sich auf die Suche. Verfolgen den Typen und geraten schliesslich selbst in ziemlich grosse Schwierigkeiten und in Gefahr. Jetzt müssen Nits Eltern helfen. Und sie tun dies, bedingungslos, feinfühlig und mit der richtigen Menge an Anteilnahme.
In einer behutsamen, treffsicheren Sprache beschreibt Stefanie Höfler diese Geschichte aus der Sicht von Nits. Nits versteht plötzlich die Lügerei seines Freundes und spürt, wie belastend es sein muss, seine Armut ständig verstecken zu müssen. Als Nits seinem Freund die eigenen Ersparnisse schenken will, wird Mischa richtig böse, spricht eine Zeitlang kaum mehr ein Wort. Nits wird bewusst, wie viel Glück er mit seinen Eltern hat und wie schwierig es ist, Betroffenen zu helfen, ohne dass diese ihre Würde verlieren. «Feuerwanzen lügen nicht» beschreibt ein aktuelles, ernsthaftes Thema. Das Buch ist zugleich aber auch ein spannender Krimi und eine Geschichte darüber, wie wichtige gute Freunde sind. Das Buch liest sich leicht, weil der Plot sehr spannend ist und die Autorin es versteht, schwierige Dinge in einer einfachen, aber niemals vereinfachenden Sprache auszudrücken. Ein wunderbares Buch, das sich sehr gut zum Vorlesen eignet und unbedingt in jede Schulbibliothek gehört. Zum Vorlesen ab 8, zum Selberlesen ab etwa 10 Jahren.

Stefanie Höfler: Feuerwanzen lügen nicht. Beltz 2022. ISBN: 978-3-407-75683-1

Rezension: Maria Riss

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