Die Welt im Fenster

Dozent: Prof. Gastprofessur Countdown 2030 | Assistenz: Laura Schneider | Begleitung: Tom Boyle

Die Klima- und Biodiversitätskrise kann als Bürde, aber auch als Chance gelesen werden, unsere Disziplin weiterzuentwickeln. Dies betrifft die Frage, wie wir unsere Gebäude bewirtschaften, beheizen und kühlen; wie wir die beim Erstellungsprozess entstehenden Emissionen verringern und was mit einem Gebäude am Ende seiner Lebenszeit geschieht. Um hierbei neue, ganzheitliche Lösungen zu finden, müssen wir bereits im Entwurf die ganze Lebensdauer eines Gebäudes bedenken.

„Die Architektur sollte versuchen mit dem Klima wieder ins Gespräch zu kommen, nachdem sie dieses mit ihren konstruktiven Konzepten im 20. Jahrhundert schlicht negiert hat.“

(Sascha Rösler, 2013)

Klimagerechtes Bauen als Bedingung von architektonischen Potenzialen

Ausgehend von dem in Fokusprojekt I entwickelten Szenario für Bellelay werden im Fokusprojekt II einzelne Elemente zu konkreten architektonischen Projekten weiterentwickelt. Dabei nehmen wir die Entwicklung einer Vision für die leerstehende Klosteranlage zum Anlass, uns der übergeordneten Frage nach zukunftsfähiger Architektur zu widmen: Was kann Architektur im Angesicht der Herausforderungen des Klimawandels leisten? Welche Anforderungen muss sie erfüllen und was für einen Ausdruck entwickelt sie? Dabei sind zukunftsfähige Konstruktionen, Raumstrukturen und Lebensräume ebenso selbstverständlich mitzudenken wie die Dichtigkeit eines Materials, die Statik oder der Komfort.

Bei der Entwicklung der Entwürfe wollen wir uns bewusst von jeglichen Dogmen oder vordefinierten Handlungsweisen freimachen. Stattdessen werden aus dem jeweils entwickelten Szenario und seinem Programm spezifische Thesen, Konstruktionsweisen und schliesslich Projekte entwickelt. Diese versuchen innovative, mutige und mitunter ungewöhnliche Antworten auf komplexe Fragen zu geben. Dabei gehen wir bewusst experimentell vor; Scheitern ist erlaubt! Bei dem Projekt kann es sich um einen Umbau oder eine Umnutzung, eine Erweiterung oder eine Aufstockung, einen Rückbau, einen Neubau – oder einen Nicht-Bau handeln; Was zählt, ist das Potenzial der architektonischen Idee.

Detail und Umwelt im Dialog

Um eine differenzierte Auseinandersetzung mit diesen komplexen Fragestellungen zu ermöglichen und gleichzeitig konkrete Projekte zu erarbeiten, möchten wir dabei den Massstab der Umwelt und den des Details in einen Dialog treten lassen. Als Einstieg in die Thematik widmen wir uns daher einem spezifischen Bauteil: dem Fenster.

Das Fenster prägt wie kein anderes Element der Architektur unseren Bezug zur Umwelt und zum Klima. Seine Ausrichtung, Form und Lage regelt den Sonneneinfall im Tagesverlauf und im Wechsel der Jahreszeiten. Gleichzeitig kann ein Fenster aus konstruktiver Sicht nie gedacht werden, ohne es als Teil eines grösseren Systems zu verstehen: Die Wand mit ihrem Aufbau und ihren Schichten beeinflusst Lage, Form und Konstruktion des Fensters und umgekehrt. Eine gemauerte Wand erfordert einen Sturz, eine leichte Wand neigt eher zur Überhitzung als eine schwere. Zuletzt prägt das Fenster stets auch den Ausdruck eines Gebäudes und kann so als Werkzeug bei der Entwicklung eines spezifischen und angemessenen Ausdrucks dienen.

Zu Beginn des Fokusprojekts II stellen wir also die Frage nach dem Verhältnis zwischen dem zu erarbeitenden Projekt und seiner Umwelt: Ist das Gebäude kühler oder wärmer als seine Umgebung? Ist es im Inneren hell oder dunkel, feucht oder trocken? Wer hält sich darin auf und wann? Wie reagiert das Gebäude auf andere Lebewesen in seiner Umgebung?

Dabei ist es unerheblich, ob es sich bei diesen Überlegungen um einen Neubau, einen Umbau oder eine Erweiterung handelt, da davon auszugehen ist, dass auch im Bestand eine gezielte Ertüchtigung der Gebäudehülle notwendig sein wird. Aus diesen Überlegungen wird anhand einer Aussenwand mit einer Öffnung mit spezifischen Materialien und Konstruktionen eine thesenartige Aussage erarbeitet und zu einer konstruktiven und architektonischen Idee weiterentwickelt.

Unterrichten im Kollektiv

Countdown 2030 stellt etablierte Lehrformate und Rollenverhältnisse in Frage. Wir sind der Überzeugung, dass die Probleme und Herausforderungen unserer Zeit nur durch ein Arbeiten in Netzwerken, durch Partizipation, mit Schwarmintelligenz und Kooperation überwunden werden können. So entwickeln die Studierenden auf Augenhöhe und im Dialog mit den Mitgliedern von Countdown 2030 ihre Thesen und Ansätze.

Eine feste Kerngruppe von Aktivistinnen und Aktivisten wird wöchentlich die Ideenfindung begleiten. Um das breitgefächerte Know-How von Countdown 2030 in die Lehre einzubinden, werden wöchentlich ein oder zwei weitere Vereinsmitglieder hinzukommen und ihre spezifische Expertise zum jeweiligen Entwurfsschritt beisteuern. So unterstützt eine erfahrene Bauleiterin bei der Erarbeitung von Details, ein Redakteur begleitet die Erarbeitung von Texten und eine Ingenieurin evaluiert die im Entwurf verbrauchte Energie.

Abgabe als Einzelarbeit

Schwarzplan (Massstab projektabhängig)

Situationsplan des Szenarios (Massstab projektabhängig)

Alle zum Verständnis erforderlichen Pläne, Ansichten und Schnitte, Massstab projektabhängig, 1:20-1:200)

Axonometrische Darstellung der konstruktiven Grundidee (1:20-1:5)

Darstellung der Materialisierung (z.B. Materialmuster)

Modell des gesamten Projektes (Massstab projektabhängig, 1:200-1:50)

konstruktives Ausschnittsmodell (Massstab projektabhängig, 1:50-1:1)

Visualisierungen (Modellfotos, Renderings, Collagen, Zeichnungen)

Beispielhafte Bauteilbilanzierung

Erläuterungstext/Konzeptbeschreibung

La Clef des champs, René Magritte 1936, Oil on canvas. 80 x 60 cm, Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid