SUPERSIMPLE
Gastdozentur: Countdown 2030 | Assistenz: Laura Schneider | Begleitung: Axel Schubert
«EINFACH REICH» AUF DEM FRANCK-AREAL
Zukunftsfähiges Bauen wird oft als Einschränkung diskutiert. Dann geht es um Verzichte, Verbote und Grenzen, um weniger CO2 und Beton, weniger Platz und Komfort, weniger Autos und Neubau. So richtig viele dieser Punkte sind, so falsch ist das Framing – denn zugleich birgt zukunftsfähiges Bauen grosse Chancen. Es geht um mehr Identität und Durchmischung, mehr Grünraum und Gesundheit, mehr Innovation und neue Jobs, mehr Gemeinschaft und neue Konstruktionen. Aus diesem Grunde sucht unser Semester austarierte Positionen im Spannungsfeld zwischen Einfachheit und Reichtum.
Einfachheit ist als architektonische Kategorie vieldeutig: Stellen wir einfache Ansprüche ins Zentrum unserer Überlegungen – wie Suffizienz punkto Raumbedarf und Komfort? Treibt uns die Suche nach einfachen Typologien – nach robusten, aneignungsfähigen, gemeinschaftlich nutzbaren Räumen? Gilt unser Interesse einfachen Konstruktionen – massiven und sortenreinen, bauphysikalisch aktivierbaren und demontierbaren Aufbauten? Welche Ästhetik entsteht aus diesen Einfachheiten – sichtbares Fügen und Verbinden, Leitungen auf Putz und spannungsreiche Brüche des Um- und Weiterbaus?
Reichtum ist architektonisch und planerisch ebenso ergiebig: Wie vielfältig ist ein Nutzungsmix, der das Franck-Areal nicht bloss zur Siedlung macht, sondern zum durchmischten Stadtbaustein? Welchen Reichtum vermögen biodiverse Dächer und Freiräume samt urbaner Agrikultur beizusteuern? Könnte unser Verhältnis zwischen Wohnraum und Umwelt reichhaltiger sein als das duale Trennen in ein wohl temperiertes Innen und ein unreguliertes Aussen? Wie wird das Areal den komplexen Ansprüchen an zeitgemässe Mobilitätsformen und Stadtlogistik gerecht? Wie gelingt hier morphologische und baukulturelle Vielfalt auf dem Grat zwischen Chaos und Banalität?
FOKUSPROJEKT 1 | ANALYSE & STÄDTEBAULICHE THESE
Das Franck-Areal liegt heute als Gewerbeinsel im heterogenen Nordosten Kleinbasels. Östlich grenzt es an den Riehenring mit Autobahnzubringer und Tunnelabfahrten. Nördlich beginnen die verlassenen Werksgelände lokaler Chemiekonzerne. Südlich und westlich liegen Wohnquartiere unterschiedlicher Dichte.
Bis heute nutzen Franck und Thomi das Areal teilweise als Mayonnaise- und Senffabrik. Doch die meisten Bauten stehen leer und bieten erhebliches Potenzial zur Umnutzung. Auf dem Parkplatz im Süden, wo geplante Arbeiterwohnungen nie gebaut wurden, können Neubauten das Ensemble ergänzen. Durch diese Verdichtung und attraktive Nutzungen wird das heutige «Terrain Vague» im besten Falle zum Orientierungspunkt, zum urbanen Scharnier werden zwischen Erlenmatt, Horburg und Klybeck.
Die Entwicklung des Areals ist in der Realität schon weit fortgeschritten und erfolgt aus Zeitgründen im Rahmen der gesetzlichen Regelbauweise und des geltenden Zonenplans. Dieser Rahmen und Planungsstand ist für unser Semesterprogramm nicht bindend – im Gegenteil: Die Studierenden sind aufgefordert, eine eigene Haltung und Vision zu entwickeln, die gegenwärtige Planung zu hinterfragen und weiterzudenken.
Das Fokusprojekt 1 beginnt mit einer Analysephase. Gemeinsam erarbeiten die Studierenden ein grosses Umgebungsmodell und analytische Karten zu städtebaulichen, baukulturellen und sozialräumlichen Themen. Auf dieser Grundlage formulieren sie anschliessend einzeln oder in 2er-Gruppen eine präzise These, die ihnen als Grundlage für das weitere Semester dient. Diese These besteht aus einem prägnanten Text, einem städtebaulichen Einsatzmodell, Referenzbildern und Stimmungscollagen sowie Schemata zu Nutzungsverteilung, Erschliessung, Freiraumtypologien, Wohnformen und Anbindung an die Umgebung. Daneben werden Aussagen dazu erwartet, wo Teile des «Food Cycles» (Produktion, Verarbeitung, Vertrieb, Konsum, Entsorgung, Recycling) stattfinden können.
Abgabe als Kollektiv:
– Analysekarten Bestand und Umgebung (je 1–2 Themenbereiche pro Person)
– Situationsplan
– Situationsmodell
Abgabe Einzeln / 2er Gruppe:
– These
– Konzeptmodell
– Konzeptskizze / Collage
– Einsatzmodell
FOKUSPROJEKT 2 | ARCHITEKTONISCHES PROJEKT
Im Fokusprojekt 2 wählen die Studierenden einen prägnanten Schlüsselmoment ihrer städtebaulichen Vision und präzisieren diesen als Architektur. In den Vordergrund tritt damit einmal mehr die Suche nach einer spannungsvollen Balance zwischen Reichtum und Einfachheit – im Sinne prägnanter und essentieller, keineswegs banaler und vereinfachender Projekte. Ein Inputvortrag zu «Strategien zukunftsfähigen Bauens» dient den Studierenden als Inspiration. Anschliessend gilt es, ein klares Narrativ zu entwickeln und die gewählten Schwerpunkte nachvollziehbar und prägnant zu vermitteln. Storytelling is key!
Ein Projekt besteht aus einem oder mehreren Gebäuden oder Gebäudeteilen. Das Thema des Wohnungsbaus steht dabei im Vordergrund, ist aber keine Beschränkung. Die Frage des angemessenen Masses von Neu und Alt, die den Städtebau begleiten wird, stellt sich auch hier, im kleineren Massstab: Bei welchen Strukturen lohnt der Erhalt? Mit welchen Eingriffen lassen sich Defizite beheben? Wo ist ein neues Gesicht angemessen, wo genügt die energetische Fassadensanierung? Und im Falle der nötigen Neubauten: Wo liegt die spannungsvolle Balance zwischen Angleichung und Kontrast zum Baubestand?
Das zukunftsfähige Bauen ist auf der Suche nach seiner Gestalt und erübrigt keineswegs die Kernarbeit der Architektur – das Denken in Schnitt und Grundriss, die konstruktiv-technische Ausarbeitung, die typologische Raffinesse. Letztlich ist dies ein Wohnbausemester, und so gilt unsere Suche den zwar einfach wirkenden ganz selbstverständlich funktionierenden, dabei aber präzisen und auf den zweiten Blick cleveren Wohnungstypologien.
Abgabe Einzeln / 2er Gruppe:
– These
– Meme
– Projektpläne 1:200
– Einsatzmodell
– Collagen, Visualisierungen
– Präsentation mit Dramaturgie