FS21 – Stadtwohnen

Gastdozent: Matthias Baumann

Assistenz: Didier Balissat, Axel Gassmann, Valentin Lang und Anja Müller

Begleitung Soziale Nachhaltigkeit: Prof. Christina Schumacher

Begleitung Tragkonstruktion: Tobias Huber und Manuel Wehrle

 

Stadtwohnen

Mit dem Wohnungsbau beschäftigen wir uns im zweiten Jahr des Architekturstudiums. Der Wohnungsbau ist die älteste, komplexeste, naheliegendste und prägendste Disziplin der Architektur. Wenn wir Wohnungsbau betreiben, müssen wir banale und kleine Dinge ebenso bedenken wie die globalen Herausforderungen unserer Zeit.

 

Ort
Im Frühjahrssemester setzen wir uns mit dem Wohnen in der Vorstadt auseinander. Die Stadt Basel prosperiert. Das Bedürfnis nach mehr Wohnraum strahlt über die Stadtgrenzen hinaus auf die angrenzenden Gemeinden. Die Gemeinde Birsfelden hat auf politischer Ebene in den vergangenen Jahren verschiedene Areal-Entwicklungen angestossen. Die Aufwertung des Zentrums wird dabei als initiales Herzstück betrachtet.
Den Studienauftrag für die Zentrumsentwicklung haben 2018 Harry Gugger Studio und Westpol Landschaftsarchitekten aus Basel gewonnen. Der Beitrag lotet die räumlichen Qualitäten aus und schafft neue. Dabei wird eine glaubwürdige Chance geschaffen, den Ort neu zu stimmen. Auf der Grundlage des Quartierplans wollen wir in diesem Semester architektonische Projekte für Wohnhäuser mit einer grossen Vielfalt von Wohnformen entwickeln.

Einführung Semester 2. März, 11.00h, Videokonferenz

 

Vorstadt auf Augenhöhe – Vorübung 1

Für die erste Vorübung treffen sich die Studierenden in Birsfelden zu einem Spaziergang. In Fünfer-Gruppen wird der Ort über verschiedene Routen erkundet. Für jede Gruppe wird ein Ausgangs- und ein Endpunkt festgelegt, den Weg bestimmt jede Gruppe selber, jeder Spaziergang führt aber zwingend durch das Ortszentrum. Ziel des Spaziergangs ist es, das vor Ort Vorgefundene, seine Eigenheiten und Qualitäten aus unterschiedlichen Perspektiven auszukundschaften. Dazu erfindet jede Gruppe zwei fiktive Personen, aus deren Sichten sie ihre Route erkundet. Das kann eine Primarschülerin sein, die mit dem Trottinett unterwegs ist, ein pensionierter Hafenarbeiter, der seinen Hund Gassi führt, eine jugendliche Sprayerin, ein Vater mit Kinderwagen, eine Geschäftsfrau auf dem Weg zur nächsten Sitzung oder ein Senior mit Rollator. Versucht, die Personen möglichst gut zu kontrastieren, um eure Blicke für unterschiedliche Raumwahrnehmungen und -erfahrungen zu erweitern. Wie zugänglich sind die Wege für unterschiedlich grosse und verschieden mobile Personen? Wo ist es laut, wo ruhig, wie sind die Vorzonen zu den Bauten gestaltet, wie die Übergänge zwischen öffentlichem und privatem Raum? Welche öffentlichen Angebote finden sich für welche Nutzungen, wo gibt es Treffpunkte, wo Sitzgelegenheiten, wo charakteristische Bestandsbauten, wo Schatten an heissen Sommertagen oder unversiegelte Restflächen, auf denen Kinder spielen können, aber zum Beispiel Skateboards und Rollatoren schlecht vorwärtskommen?
Die Gruppen bestimmen nicht nur ihren Weg selber, sondern auch das Format, in dem die gesammelten Eindrücke dokumentiert und im Anschluss auf Miro zusammengetragen werden. Ihr könnt Texte schreiben, skizzieren, fotografieren, collagieren, einen Film oder ein Leporello zusammenstellen, um eure Erkenntnisse möglichst bildhaft darzustellen. Die Ergebnisse aus dieser ersten Übung werden während der Bearbeitung der Semesteraufgabe für alle auf Miro verfügbar bleiben.

Begleitung Prof. Christina Schumacher
Ausgabe, Imput 2. März, 14:00, Videokonferenz
Spaziergänge 3. März, in Fünfer-Gruppen
Abgabe Frei, Layout auf Miro
Seminare 9. und 10. März, Videokonferenz
Feedback 10. März, 16:30, Videokonferenz

 

Geoinformationssystem – GIS

Parallel zur ersten Übung untersuchen die Studierenden den Ort anhand von GIS-Daten. Über das digitale Höhenmodel können die Gebäudehöhen abgeleitet werden. Daraus erarbeiten die Studierenden ein gemeinsames, dreidimensionales Modell der Gemeinde. Während bei der Peripherie ein grober Detaillierungsgrad ausreichend ist, soll der Bereich um den Quartierplan des Zentrums und der Nachbarschaft detaillierter ausgearbeitet werden.

Begleitung Prof. Dr. Pia Bereuter, GIS
Einführung 2. März, um 16:00, Videokonferenz
Workshop 9. März und 16. März 16:00, Videokonferenz
Sprechstunden 24. März und 30. März 12:00-12:45
Abgabe Digitales Model der Gemeinde

 

Typologien – Vorübung 2

Eine systematische Annäherung an den kollektiven Wohnungsbau kann über die Untersuchung der verschiedenen Typologien erfolgen. Dabei geht es um die Erforschung von Gesetzmässigkeiten, die sich aus der Organisation grösserer Einheiten auf der einen, aus den möglichen Bautiefen auf der anderen Seite ergeben. Den Studierenden wird je eine Kategorie mit einem exemplarischen Grundriss zugeteilt. Bekannt sind dabei nur Aussenlinie, Zugang, Bereich der Befensterung, Himmelsrichtung und die Personenbelegung. Die Aufgabe besteht darin die Eigenschaften der Grundlage auszuloten und auf deren Basis eine spezifische Wohnung zu entwerfen. Zum Entwurf ist ein kurzer Text zu verfassen, welcher Aufschluss darüber gibt, wie in der Wohnung gewohnt wird und was deren Besonderheit ist. Anschliessend werden je zwei Studierende und zwei Assistierende die vorgegebenen Referenzen mit den jeweiligen Entwürfen vergleichen und diskutieren.
Im Nachgang erarbeiten die Studierenden die Hintergründe der Referenzen wie Basisdaten, Besonderheit des jeweiligen Referenzprojekts und dessen historische Einordnung. Aus der Summe der Entwürfe, der entsprechenden Referenzen und deren Hintergrundinformationen stellen wir einen kleinen Atlas zusammen.

Kategorien: – Einspänner
– Zweispänner
– Mehrspänner
– Laubengang
– Block
– Hochhaus
– Bautiefe 6m
– Bautiefe 12m
– Bautiefe 15m
– Bautiefe 18m

Kriterien für Hintergrundinformationen:
Architekt, Baujahr, Volumen, Anzahl Wohnungen, Nutzungsmix, Orientierung, Städtebau, Besonderheit, Konstruktion

Begleitung Tischkritik 2-er Gruppen, 2 Assistierende, 16. /17. März
Feedback 17. März um 17:00, Feedback Dozent
Abgabe gemäss Vorlage

 

Wohnhaus – Semesterprojekt

Die Studierenden wählen anhand des Quartierplans vom Zentrum Birsfelden eine der Parzellen aus und entwerfen unter Berücksichtigung der festgelegten Regeln für den Baustein ihr Wohnhaus. Während in den oberen Geschossen ausschliesslich Wohnnutzungen vorgesehen sind, orientiert sich die Programmierung des Erdgeschosses an der städtebaulichen Lage. Während an den Plätzen öffentliche Nutzungen und solche mit stärkerer Frequentierung vorgesehen sind, sind an anderer Stelle Wohnungen bis ins Erdgeschoss zu planen. Die Auseinandersetzung mit dem Kontext und der städtebaulichen Setzung der Bausteine helfen, die neuen Gebäude spezifisch zu konzipieren.
Besondere Beachtung ist neben den Wohnungen den gemeinschaftlichen Flächen zu schenken, insbesondere den Haus- und Wohnungseingängen sowie den Treppen- und Liftanlagen. Diese Flächen dienen nicht nur einer Funktion, sie sind auch entscheidend für den Austausch unter den Bewohnenden.
Ein durchmischtes Wohnungsangebot in den jeweiligen Häusern schafft Raum für Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen, was das Verständnis unter den Bewohnerinnen und Bewohnern fördert. Es ist also ein vielfältiger Wohnungsmix anzubieten. Das Credo für den Entwurf der Wohnungen soll „Wohnen auf knappem Raum“ sein. Bei der Personenbelegung pro Wohnung gilt: Anzahl ganze Zimmer minus 1. Es soll sowohl gehobenes Wohnen als auch Wohnraum für das kleine Budget angeboten werden. Für das gehobene Wohnen sollen auch andere Parameter gefunden werden als allein über die Fläche.
Nachzuweisen ist zudem eine Konstruktion, die langlebig, werthaltig und schön ist. Aus ökologischen Gründen soll der Einsatz von Stahlbeton so gering wie möglich gehalten werden.

Begleitung Assistierende (wöchentliche Tischkritiken einzeln)
Dozierende Tragkonstruktion (Sprechstunden)
Ausgabe Mittwoch, 17. März um 17:00 (Konzepte, Programm)
Imputreferat 23. März, um 11.00h, Videokonferenz
Julia Bobert, Leit. Stadt- und Arealentwicklung Birsfelden
Imputreferat 23. März, um 14:00h, Videokonferenz
Harry Gugger Studio, Basel
Abgabe Situation 1:500
Vollständige Projektpläne im Massstab 1:200
Erdgeschoss mit Umgebung
Einsatzmodell 1:200, städtebauliches Modell 1:500
Modell einer Wohnung im Massstab 1:20
Isometrie mit Materialisierung 1:20
Zwei Renderings (innen und aussen)
1. Zwischenkritik 20. und 21. April (Layout Miro)
2. Zwischenkritik 25. und 26. Mai (Layout Miro)
Abgabe der Pläne und Modelle 14. Juni, 8.00h
Schlusskritik 15. Juni mit Harry Gugger, Architekt
16. Juni mit Henriette Gugger, Architektin

 

Soziale Nachhaltigkeit

Richard Sennett trifft in seinem 2018 erschienen Buch „Die offene Stadt“ die Annahme, dass in der Mitte dieses Jahrhunderts zwei Drittel aller Menschen in Städten leben werden. Er stellt die Frage, wie „Bewohnerinnen und Bewohner mit unterschiedlichen kulturellen, religiösen oder ethnischen Hintergründen dort eine friedliche Koexistenz führen“ können. Wir müssen also Strukturen denken und bauen, die der „chaotischen, lebendigen Realität“ gerecht werden, damit sie sozial nachhaltig sind. Wir bauen nicht nur für unsere Generation und deren Bedürfnisse. Im besten Fall halten gebaute Strukturen zahlreichen zukünftigen Überformungen stand, behalten ihren Nutzen und fördern die Verständigung und das Zusammenleben. Wohnbauten sind nie autarke Gebilde, sie stehen stets in Beziehung zur Umwelt und zur Öffentlichkeit. Wenn man sich mit Wohnraum befasst, befasst man sich mit der Regulierung von öffentlichem zu privatem Raum. Der Aspekt der sozialen Nachhaltigkeit bildet ein Schwergewicht in diesem Semester und wird integriert zur Entwurfsaufgabe von Prof. Christina Schumacher begleitet.

 

Grundlagen

Der Wohnungsbau wird mit Vorträgen und Lektüre (Selbststudium) thematisch eingeführt. Von den Studierenden wird erwartet, dass sie sich im Laufe des Semesters mit dem Wohnungsbau nicht nur projektbezogen, sondern auch umfassender auseinandersetzen.

Vorträge Dienstag, 9.00h, Videokonferenz

09.03. Michael Alder (MA)
16.03. Bruno Taut (MA)
23.03. Göhner (DB)
30.03. Atelier 5 (AG)
06.04. Fernand Pouillon (AM)
13.04. Peter und Alison Smithson (VL)
27.04. Siedlungsgemeinschaft Harumi, Tokio (DB)
11.05. Jean Nouvel (AG)
18.05. Monte Carasso (AM)
01.06. Rotes Zürich (VL)

Texte Heft mit Texten zum Wohnungs- und Städtebau

 

Atelierbetrieb

Das Atelier bietet nicht nur persönliche Arbeitstische für alle Studierenden an, es ist auch ein Ort des Austauschs und der Begegnung, ein Ort, an dem verschiedene Haltungen und Ideen aufeinandertreffen sollen.
Auf Grund der aktuellen Weisungen zur Pandemie wird der Atelierbetrieb jedoch nur eingeschränkt möglich sein. Die Assistierenden betreuen jeweils ca. zehn Studierende. Die vier Gruppen werden jeweils auf Zeitfenster und auf Dienstag und Mittwoch aufgeteilt. Die Zutrittsberechtigungen werden auf diese Zeitfenster ausgestellt. Der Dienstag beginnt um 09.00h mit einer Vorlesung, danach finden die Tischkritiken statt. Die Studierenden bereiten sich darauf vor und bringen alle relevanten Skizzen, Pläne und Modelle mit. Die Besprechungen finden ohne Bildschirme statt. Am Mittwoch um 17.00h gibt der Dozent ein Feedback zu den Entwicklungen der Projekte.

H. Hertzberger, Haarlemmer Houttuinen housing, Amsterdam, 1982
Birsfelden
Quartierplan, Westpol Landschaftsarchitekten Basel
Atelier 5, Thalmatt 1, Herrenschwanden, Bern, 1974
Unterricht, Bauhaus Dessau, 1925–1932