Warenhaus der Zukunft

Dozentinnen: Barbara Neff, Bettina Neumann | Assistent: Tommy Neuenschwander | Begleitung: Thomas Boyle

Das Erscheinungsbild des Gewerbe- und Industriegebietes von Pratteln wird zu weiten Teilen von abstrakten Zweckbauten bestimmt. Die charakteristischen Merkmale dieser Bauten, so z.B. bei der Logistikfirma von Planzer, der IKEA oder unserem näher zu untersuchendem Areal des JUMBO’s werden über die Farben oder markant in Szene gesetzten Schriftzügen gesucht. Selten erzählen uns die Bauten selber etwas über deren Inneres, gestaltete Fassaden oder architektonisch entwickelte Bauteile existieren nicht. Wie jedoch bereits Venturi und Scott Brown in den 70-er Jahren ‚Learning from Las Vegas’ thematisiert haben, suchen wir in diesen als symbolische Objekte lesbaren Bauten das Potenzial einer künftigen Bestimmung.

Wer kennt ihn nicht, den blauen JUMBO-Elefanten neben seinem roten Schriftzug. Leuchtend auf unwirtlichen Industriebauten vermittelt er uns Vertrauen ins eigene handwerkliche Geschick. Die Do-it-yourself Warenhauskette hat sich seit den siebziger Jahren in alle Agglomerationsgemeinden der Schweiz ausgebreitet, wie z.B. in Pratteln. Ein kleines Konglomerat aus anonymen Industriehallen in Kombination mit einer Parkierungsanlage bildet ein autonomes Einkaufszentrum, welches seine besten Jahre längst hinter sich hat. Auch die Pandemie verantwortet Veränderungen in Bezug auf das Einkaufsverhalten mit. Der On- line-Handel hat den Selbstwerker-Markt ebenfalls erreicht und Leerbestände zeugen vom sich wandelnden Einkaufsverständnis.

Das Areal, welches auf Grund von höchster Effizienz geplant wurde soll einer visionären Transformation unterzogen werden. Dieser ‚adaptiv re-use’ soll einerseits das Potenzial der Veränderung nutzen, um den anonymen Ort mit den spezifischen Bedingungen seiner bebauten Umwelt zu verorten und andererseits eine zukunftsgerichtete Form des Warenumschlags zu finden. An der topographischen Schwelle zu einem eindrücklichen Landschaftsraum gelegen verfügt das Gewerbegebiet nicht nur über eine bemerkenswerte Lagequalität, sondern es soll auch die Chance genutzt werden, das unmittelbar angrenzende Wohnquartier mit dem bis anhin ausschliesslich gewerblich genutzten Areal zu verknüpfen. Auf Grund sich modifizie- render Kaufgewohnheiten, der Entwicklung von Sharing-Economy, des Bewusstseins der Endlichkeit von Ressourcen und des zunehmenden Wiederentdeckens des lokalen Handwerks und örtlicher Produktionen, suchen wir mit individuell erarbeiteten Szenarien ein mögliches Warenhaus der Zukunft. Dabei interessiert uns die Frage, ob sich die anonyme, unspezifische Architektur für das Vorhaben der Adaptierbarkeit als vorteilhaft erweisen könnte.

 

FOKUSPROJEKT 1: Kontext und Narrativ

In einem ersten Schritt nähern wir uns mit bildhaften Darstellungen dem Ort und seinen spezifischen kontextuellen Eigenschaften an. Dabei interessiert uns insbesondere das Potenzial einer lokalen Verortung des Vorgefundenen. Die Qualitäten und Defizite von Struktur, Erscheinungsbild und Architektur der Bestandsbauten sind gleichsam Teil erster Auseinandersetzungen. Ausgehend von einer Recherchearbeit zu Warenhäusern, Gewerbebauten, traditionellen Bazaren oder Markthallen und mit Hilfe von zeitgenössischen Texten zur Frage der Entwicklung von Warenprozessen, lokalen Produktionen und sich veränderndem Konsumverhalten entwickeln die Studierenden ein thematisches Szenario zu ihrem individuell erarbeiteten zukünftigen Warenhaus. Ob dieses Drehbuch im Bereich von örtlicher Food-Produktion, Re-Sell und Re-Buy-Pro- dukten, im Zusammenschluss von Mikrounternehmen, im Gebiet von Sharing- Economy und deren Plattformen oder weiteren Themen angesiedelt wird, steht den Studierenden frei. Die ausgearbeitete Nutzungsthese soll mit einem prägnanten Arbeitstitel veranschaulicht werden, welcher für die Zeichenhaftigkeit und Beredsamkeit der im folgenden Schritt zu entwerfenden Architektur eine wichtige Rolle spielen wird.

Um möglicherweise eine Brücke zum angrenzenden Quartier zu schlagen und einen zeitgemässen Prototypen entwickeln zu können, suchen wir nach einer hybriden Gebäudetypologie, in welcher die Nutzungsthese des künftigen Warenhauses um eine individuell wählbare Wohnnutzung erweitert wird.

Abgabe

  • Modell 1:200 als Gruppenarbeit
  • Individuelle Annäherung an Ort und Gebäude
  • Recherche Warenhaus, Markthalle und Gewerbebauten
  • Arbeitstitel zur Nutzungsthese
  • Nutzungskonzept als Isometrie
  • Erscheinungsbild „Warenhaus der Zukunft“ als Collage

 

FOKUSPROJEKT 2: Adaption und Transformation

Im zweiten Teil des Semesters widmen wir uns einer vertieften Auseinandersetzung mit den strukturellen Eigenschaften der Bestandesbauten. Gleichzeitig werden die Studierenden ihre Nutzungskonzepte weiter präzisieren und daraus ein individuelles Raumprogramm erstellen. Unsere These eines hybriden Gebäudetypus als zukunftsfähiges Warenhausmodell gilt es dabei kontinuierlich weiterzuentwickeln. Der von den Studierenden gewählte Projekttitel verkörpert die inhaltliche Grundidee des Entwurfes. Im Abgleich mit konkreten, räumlich architektonischen Vorstellungen, soll die Adaptierbarkeit an die vorhandene Bausubstanz überprüft werden und entsprechend eine Rückkoppelung auf die gewählte These evozieren. Des Weiteren werden wir uns intensiv mit dem Thema der Fassade und des architektonischen Ausdrucks auseinandersetzen, nicht nur in konstruktiver Hinsicht, sondern auch als sichtbares Element des angestrebten Transformationsprozesses.

Abgabe

  • Projekttitel
  • Situationsplan
  • Projektpläne 1:200
  • Nutzungskonzept als Isometrie
  • Schnittperspektive in geeignetem Massstab (1:50/1:20)
  • Visualisierungen/Collagen (Tag- und Nachtdarstellungen)
  • Statisches Konzept als Isometrie
  • Modelleinsatz 1:200
  • Objektmodell in geeignetem Massstab
Rüti Center Pratteln, Blick nach Norden. Foto: Bettina Neumann
Leerstand Rüti Center Pratteln
Flohmarkt in der Markthalle Basel
Freitag Tower, Zürich
Migros Verkaufswagen, 1946
Markthalle Breslau
Markthalle Dijon
Franz-Carl-Weber-Haus, 1957
The „Flamingo“ sign seen from a helicopter Venturi, Scott Brown Collection
Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin
Teppichbasar Kairo, Charles Robertson, 1887
Dead Mall in Ohio, Foto: Johnny Joo