Glossar

Schlüsselsituationen der Sozialen Arbeit sind jene Situationen des professionellen Handelns, die durch Fachkräfte der Sozialen Arbeit als typisch und im professionellen Geschehen wiederkehrend beschrieben werden (vgl. Tov et.al. 2016: 40). Das Erarbeiten einer Schlüsselsituation ermöglicht, den Fall

in seiner Besonderheit zu verstehen und darin das Allgemeine im Sinne von Theorien, gültigen Regeln, ethischen Grundsätzen u.v.m. zu entdecken, um daraus wiederum Rückschlüsse für Theoriebildung und Methodenentwicklung zu ziehen und zu lernen (vgl. Kunz 2015: 78).

Kasuistik ist eng mit dem Fallbegriff verbunden und bezeichnet ganz allgemein formuliert die Betrachtung von Einzelfällen in einem bestimmten Fachgebiet. Im Fachdiskurs Sozialer Arbeit lassen sich verschiedene, wenn auch nicht immer ganz trennscharf zu unterscheidende Verständnisse und Formen von Kasuistik mit unterschiedlichen Zielen ausmachen.

Hollenstein/Kunz (2019). Kasuistik in der Sozialen Arbeit. An Fällen lernen in Praxis und Hochschule. Barbara Budrich.

Der Sammelband zeigt den aktuellen Stand der Fachdiskussion zu Kasuistik (für eine Einführung und Begriffsbestimmung siehe Fabienne Rotzetter 2019 im Band; instruktiv ist auch das Gespräch von Peter Sommerfeld mit Hans Thiersch zu Kasuistik) und gibt Einblick in die verschiedenen Ansätze in Hochschule und Praxis anhand kon­kreter Beispiele.  

Im Kern lässt sich Kasuistik als ein Bemühen verstehen, Erkenntnisse aus der Analyse, Betrachtung und Diskussion von Fällen aus der Praxis zu gewinnen. Diese Erkenntnisse dienen nicht oder nicht in erster Linie der weiteren Bearbeitung des jeweiligen Falles, sondern der übergeordneten Systematisierung, Regelbildung oder Instruktion.

In einer so verstandenen Kasuistik kann es um verschiedene Fragestellungen oder Probleme gehen. Im Kontext des Studiums Sozialer Arbeit ist aber ein Merkmal von Kasuistik von besonderer Bedeutung, nämlich Kasuistik als ein «Lern- und Bildungsraum» (Hörster 2018) in der Entwicklung von professioneller Handlungs- und Reflexionskompetenz. Indem Kasuistik sich mit der Herstellung des Falles und der Arbeit an und mit dem Fall beschäftigt, sind kasuistische Reflexionen in der Sozialen Arbeit immer auch aufs engste verzahnt mit Wissen zu Theorien Sozialer Arbeit, darin verorteten Methoden und Verfahren der sozialen Diagnostik und Prozessgestaltung, professionstheoretischen Bezügen sowie Wissen zu den organisationalen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Praxis Sozialer Arbeit.

Reflexionsmodell: Situativ, diskursiv und akteursorientiert sind drei konstitutive Merkmale des Reflexionsmodells. Situativ, weil der Arbeit jeweils eine konkrete, spezifische Situation zugrunde liegt, diskursiv, weil die reflexive Erarbeitung in den acht Schritten des Modells in Aushandlungsprozessen von statten geht und  akteursorientiert, weil die Situation und deren Reflexion aus der Sicht einer professionellen Person, die eine Herausforderung zu gestalten hat, betrachtet wird.

Beim Erarbeiten einer Schlüsselsituation stellt sich immer wieder die Frage, welcher Abstraktionsgrad beim Erarbeiten der einzelnen Prozessschritte gewählt werden soll. Wir gehen davon aus, dass sich der Abstraktionsgrad auf einem Spektrum zwischen konkret und abstrakt bewegt. Mit konkret meinen wir, spezifisch auf eine einzigartige Situation bezogene Beschreibungen (von Wissen, Erfahrungen, Erlebnissen), mit abstrakt auf das Übergeordnete, Allgemeine und Generalisierbare bezogene Beschreibungen. In der Tendenz bewegt sich der Abstraktionsgrad von Beschreibungen innerhalb der Prozessschritte, welche klar auf die besonderen (spezifischen) Aspekte des Einzelfalls fokussieren, innerhalb des Spektrums Richtung Pol

konkret während Beschreibungen innerhalb der Prozessschritte, welche klar auf verallgemeinerbare (generalisierbare) Aspekte des Einzellfalls fokussieren Richtung Pol abstrakt. Am Ausgeprägtesten findet beim Erarbeiten von Schritt 5 – Ressourcen erschliessen (abstrakt) und situativ verankern (konkret) –, ein permanentes Pendeln zwischen diesen beiden Polen statt. Aber auch beim Setzen des Titels zeigt sich diese Pendelbewegung sehr deutlich. In den Diskussions- und Aushandlungsprozesse innerhalb der Gruppe wird der Abstraktionsgrad festgelegt.

Die Frage, wann eine Schlüsselsituation als “gesättigt” angesehen werden kann (vgl. Verständnis des Begriffs und seiner Verwendung im Kontext der qualitativen Forschung), hängt mit der Frage zusammen, für welchen Zweck resp. in welchem Kontext die Schlüsselsituation erarbeitet wird.

Kontext Hochschule / Studium Soziale Arbeit:

  • eine differenziert dokumentierte Schlüsselsituation im Modul BA134 an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW umfasst zwölf bis vierzehn A4 Seiten
  • Schlüsselsituationen im Rahmen von Leistungsnachweisen (bspw. Fallarbeit) an der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW umfassen mehr als zwölf bis vierzehn A4 Seiten

Kontext Veröffentlichung auf der Webseite des Vereins Netzwerk Schlüsselsituationen:

  • differenziert dokumentierte Schlüsselsituationen, welche auf der Webseite des Vereins publiziert werden, umfassen zwölf bis vierzehn A4 Seiten

Kontext Intervision:

  • die Dokumentation umfasst zwei bis vier A4 Seiten

Schlüsselsituationen der Sozialen Arbeit sind jene Situationen des professionellen Handelns, die durch Fachkräfte der Sozialen Arbeit als typisch und im professionellen Geschehen wiederkehrend beschrieben werden (vgl. Tov et.al. 2016: 40). Das Erarbeiten einer Schlüsselsituation ermöglicht, den Fall

in seiner Besonderheit zu verstehen und darin das Allgemeine im Sinne von Theorien, gültigen Regeln, ethischen Grundsätzen u.v.m. zu entdecken, um daraus wiederum Rückschlüsse für Theoriebildung und Methodenentwicklung zu ziehen und zu lernen (vgl. Kunz 2015: 78).