Kenneth Oppel: Düsteres Verlangen

Die Geschichte spielt in der Umgebung von Genf, Anfang des 19. Jahrhunderts. Victor und Konrad sind Zwillinge und rein äusserlich sind sie kaum zu unterscheiden. Vom Charakter her könnten sie aber unterschiedlicher nicht sein. Konrad ist besonnen und intelligent, Victor voller Leidenschaft, Ehrgeiz und Willensstärke. Und beide lieben sie die schöne Elisabeth, die mit ihnen im Chateau der Familie Frankenstein lebt. Aber dann wird Konrad sehr schwer krank, alle Ärzte sind ratlos. Victor Frankenstein ist ab diesem Zeitpunkt von einer Idee besessen: Er will seinen Bruder vor dem drohenden Tod retten. Im Keller des Schlosses entdeckt er eine geheime, uralte Bibliothek und darin ein Buch mit dem Rezept für ein lebensrettendes Elixier. Gemeinsam mit Elisabeth macht Victor sich auf die gefährliche Suche nach den Zutaten. Er will den Tod besiegen, mit allen Mitteln, auch wenn er dadurch selber immer wieder in Lebensgefahr gerät.

Victor ist ein Protagonist, der Lesende mit seiner Ich-Erzählung unmittelbar an seiner Gefühlswelt teilhaben lässt, da sind auch schlechte, unsympathische Wesenszüge mit dabei. Nebst der äusseren Spannung, die so schrecklich gefährliche Suche nach diesem Elixier des Lebens, ist es diese Charakterbeschreibung, welche einen beim Lesen nicht mehr loslässt. Diese Schilderung ist dem Autor dermassen gut geglückt, dass die Figur und ihre Motive glaubhaft wirken, dass man die stellenweise schrecklichen Gedanken und Handlungsweisen sogar versteht: Wie kann jemand auf die Idee kommen, Herr über Leben und Tod sein zu wollen und später abstruse Monster zu erschaffen? Hauptfiguren, die man beim Lesen nicht einfach lieb gewinnt und sich trotzdem in sie hineinversetzen kann, das gibt es in der Jugendliteratur kaum – «Düsteres Verlangen» ist deshalb keine leichte Kost, wird aber Jugendliche ab etwa 15 Jahren und Erwachsene faszinieren.

Rezension: Maria Riss

Kenneth Oppel: Düsteres Verlangen. Beltz, 2012.

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