Wohnungsbau im Spannungsfeld zwischen Vision und Realität

Dozentinnen: Barbara Neff, Bettina Neumann | Assistenz: Tommy Neuenschwander | Begleitung: Axel Schubert | Experte Schlusskritik: Fabian Kaufmann, Büro Konstrukt, Luzern

 

Auch wenn Einigkeit über die Eindämmung der Zersiedelung besteht, wächst die überbaute Siedlungsfläche unaufhaltsam. Wertvolle Landschaftsräume geraten unter Druck und die Qualität bestehender Siedlungsstrukturen gehen je länger je mehr verloren. Wir sind gefordert uns dieser Thematik zu stellen und mit unserer Tätigkeit städtebaulich-architektonische Antworten für eine qualitätsvolle, nachhaltige Entwicklung zu geben, welche hohen Anforderungen an die Wohn- und Aussenraumqualität gerecht werden kann.

Als Übungsanlage für den Semesterentwurf dient uns der von Dolf Schnebli in den 60er Jahren gewonnene, bis in die 70er Jahre weiterentwickelte und anschliessend fragmentarisch umgesetzte Gestaltungsplan Ruopigen (Luzern). Einst als Satellitenstadt im Geiste der 60er Jahre konzipiert, wurde der Gestaltungsplan nicht vollständig, und zum Teil reduziert auf das Bebauungsmuster mit wenig architektonischen und aussenräumlichen Qualitäten, realisiert. Die kritische Auseinandersetzung mit dem ursprünglichen Gestaltungsplan und mit dessen Umsetzung bildet den Einstieg in unser Entwurfssemester.

Unser Planungsgebiet liegt im südlichen Teil des Gestaltungsplanperimeters. Es ist das letzte unbebaute Grundstück, eine Brache in deren Mitte sich der Bauernhof befindet, welcher der visionären Stadtplanung ihren Namen gegeben hat. Im Abgleich mit den Qualitäten und Defiziten des Bestandes umfasst die Aufgabenstellung die Herausforderung, aber auch die Chance, den Ort neu zu denken. Während des Entwurfsprozesses werden wir uns mit gemeinschaftlichen Siedlungs- und Wohnformen beschäftigen und uns diesbezüglich von Referenzen aus unterschiedlichen Kulturen und Epochen inspirieren lassen.

Mit unserer Semesteraufgabe möchten wir das Potenzial einer verblichenen Stadtutopie nutzen, um ein visionäres Stadtquartier mit innovativen Wohn- und Lebensräumen zu entwerfen.

 

Fokusprojekt 1: Das Unvollendete als Chance

Unsere Entwurfsaufgabe befindet sich im Spannungsfeld zwischen einer städtebaulichen Vision aus den 60er Jahren und einem praktisch unbebauten idyllischen Grundstück am Waldrand. Zur methodischen Untersuchung des Potenzials werden drei Themen vorgegeben: die Bestandesanalyse, die Recherche zum gemeinschaftlichen Wohnen und die Forschung zu Schwellenräumen. Diese bilden die Grundlagen für die nachfolgenden, entwerferischen Prozesse.

In einem ersten Schritt befassen wir uns mit einer kritischen Analyse des Stadtfragmentes. Die zu untersuchenden Themen sollen insbesondere die Qualität der Bestandesbauten und des Freiraumkonzeptes, deren Verhältnis zueinander, sowie die Nutzungsaufteilung, die Adressierung und die Durchwegung beinhalten. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf die Ausgestaltung der Erdgeschosse und deren Bezug zum Freiraum. Gleichzeitig soll untersucht werden, inwiefern das Gebaute vom Geplanten abweicht und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.

Beim Thema des gemeinschaftlichen Wohnens gilt es zeitlich und örtlich unlimitierte Referenzbeispiele zu finden und in ihrer Relevanz und Gültigkeit zu dokumentieren. Für das Thema der Schwellenräume sollen architektonische Typologien gesucht werden, deren Bestimmung das Bindeglied zwischen Gebäude und Freiraum darstellen.

Als Endprodukt des Fokusprojekt 1 soll auf der Basis der Recherche eine These zum Städtebau und jeweils eine Vision zum ‘Gemeinschaftlichen Wohnen’ und zu den Schwellenräumen erarbeitet werden.

 

Abgabe als Gruppenarbeit zu zweit:

– Analyse Gestaltungsplan und Stadtfragment

– Referenzbeispiele ‘Gemeinschaftliches Wohnen’ und Schwellenräume

– These zum Städtebau in Plan und Modell

– Vision zum ‘Gemeinschaftlichen Wohnen’ als Collage

– Vision zu Schwellenräumen als Collage

 

Fokusprojekt 2: Die Vision des Kollektiven

Im zweiten Teil des Semesters widmen wir uns der Planung einer Wohnsiedlung, in welcher das Leben in der Gemeinschaft eine zentrale Rolle spielt. Auf der Basis der erarbeiteten städtebaulichen und thematischen Visionen sollen stadträumliche Konzeptionen formuliert werden, deren Inhalte und Erkenntnisse deutlich erkennbar sind. Darüber hinaus müssen Aussagen zur Anbindung an den Bestand und dessen Freiräume gemacht werden. Eine sinnvolle Nutzungsanordnung soll die konzeptionelle Haltung unterstützen. Selbstverständlich werden Thesen zur Nachhaltigkeit, insbesondere der sozialen, Teil der Abgabe sein. So muss der Fokus der Entwürfe auf Überlegungen zum gemeinschaftlichen Wohnen und zu Schwellenräumen liegen. Diese sollen an Hand von ausgewählten Bauten innerhalb des städtebaulichen Vorschlags thematisiert und dargelegt werden. Ein offensichtlich benennbarer gesellschaftlicher Mehrwert in architektonischer Form muss in jedem städtebaulichen Entwurf die Essenz darstellen.

 

Abgabe als Einzelarbeit:

– Schwarzplan 1:5000

– Situationsplan mit Dachaufsicht 1:500

– zusammenhängender Erdgeschossplan 1:200

– Projektpläne relevanter Gebäude 1:200

– Konzeptionelle Erläuterungen zum ‘Gemeinschaftlichen Wohnen’ (Grafik und Text)

– Räumliche Darstellung relevanter Schwellenräume

– Situationsmodell 1:500

Skizze Wettbewerbsprojekt Ruopigen, Dolf Schnebli
Luftaufnahme Littau, Ruopigen, Foto: Marcel Kunz, 2006
Zentrum Ruopigen, Gesamtansicht von Südosten Dolf Schnebli Tobias Ammann Partner AG, 1983-87
Übersicht zum Gestaltungsplan Ruopigen, Architekt Dolf Schnebli, 1972