Eine Reflexion über den Bestand der Nachkriegsarchitektur

Anlässlich der Tagung «Baukultur im Bestand» – organisiert im November 2022 durch die Stiftung Baukultur und die EPFL – führten wir einen Workshop zum Umgang mit dem Baubestand der Trente Glorieuses durch. Wir suchten gemeinsam mit den Teilnehmenden der Tagung nach sinnvollen Umnutzungsstrategien für grossmassstäbliche Bauten wie Wärmekraftwerke, Skianlagen, Autobahnen und Postbetriebsgebäude, um daraus allgemeingültige Strategien für den Umgang mit der grossen Masse des Gebauten der Nachkriegszeit zu entwickeln.

Die Schweiz ist fertig gebaut. Abriss und Neubau sind heute nicht mehr vertretbar, denn Klima- und Umweltschutz verlangen nach einem nachhaltigen Umgang mit den knappen Ressourcen unseres Planeten. Dennoch leben wir wieder in einer Zeit des enormen Baubooms. Ein Blick zurück zeigt Parallelen zu den Jahren der Hochkonjunktur nach dem Zweiten Weltkrieg, in denen grosse Teile des – unter anderem gründerzeitlichen – Baubestands der damaligen Bauwut zum Opfer fielen. In ähnlicher Weise stehen heute die Bauten der Nachkriegszeit unter hohem Entwicklungsdruck. Wenn sich die Abrisswelle der Nachkriegszeit heute nicht wiederholen soll, müssen wir uns die Frage stellen, wie wir mit der breiten Masse des Bestands umgehen. Die (strengen) Erhaltungskriterien der Denkmalpflege, die für nur wenige ausgewählte Bauten gelten, können nicht auf das Gebaute als Ganzes angewendet werden. Nichtsdestotrotz sind auch diese Bauten mehr als eine reine Materialsammlung im Sinne des Urban Mining. Es gibt Qualitäten, die es durch interdisziplinäre Ansätze zu erkennen, zu bewahren, zu vermitteln und weiterzuentwickeln gilt. Daher die drängende Frage: Wie können Strategien und Regeln im Umgang mit dem Gesamtbestand erarbeitet werden?