Projekt
Mit unserer Forschung wollen wir der Frage nachgehen, welche Prozesse, Strukturen und Netzwerke das Bauen in der Zeit zwischen 1945 und 1975 im Wesentlichen geprägt haben. Welche Mechanismen waren wirksam und wie haben sich diese auf die gebaute Umwelt ausgewirkt? Durch die tiefgehende Analyse der gebauten Umwelt und der ökonomischen, sozialen, ökologischen, technischen und ideengeschichtlichen Kontexte wollen wir herausfinden, wie sich die Baukultur in den dreissig Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg verändert hat. Sehen diese Veränderungen in der ganzen Schweiz gleich aus, kann man von «einer» Schweizer Baukultur sprechen, die über Sprach- und Kantonsgrenzen hinweg nachvollziehbar ist? Oder gibt es lokale und regionale Baukulturen und wenn ja, wie manifestieren sich diese? Zuletzt wollen wir uns näher mit dem Begriff der Baukultur auseinandersetzen und untersuchen, welche Entwicklungen im Untersuchungszeitrum zur Herausbildung des heutigen Baukulturverständnisses beigetragen haben.
Dabei betrachten wir das Gebaute auf mehreren Massstabsebenen: im grösseren landschaftlichen Zusammenhang des Territoriums, im städtebaulichen Kontext, im architektonischen Massstab sowie in seiner materiellen Gestaltung und konstruktiven Ausführung. Ein besonderes Augenmerk gilt zudem den Personen und Akteur:innen, die als Entwerfende und Planende, als Auftraggebende oder Nutzende in engem Verhältnis zur Bauproduktion standen. Diese Personennetzwerke, ebenso wie Produktionsnetzwerke und Wege des Wissenstransfers sollen vertieft untersucht werden. Um die kulturelle Bedeutung der Bauten und des Baugeschehens zu fassen, sind die Rezeption, die Diskurse um Architektur und Städtebau sowie die medialen und künstlerischen Reflexionen in den Blick zu nehmen. Anhand repräsentativer Beispiele aus verschiedenen Regionen der Schweiz entsteht so ein Panorama der Baukultur der Nachkriegszeit.
Ausgangspunkt unseres Forschungsprojekts sind drei Büros, die für die Baukultur in der Zeit zwischen 1945 und 1975 als repräsentativ erachtet werden: AAA (Lausanne), Giovanni Lombardi (Locarno) und Suter + Suter (Basel). Sie wurden ausgewählt, weil sie ein umfassendes und bedeutsames Œuvre hinterlassen haben, aber nicht in der ersten Reihe der bekannten Schweizer Baukultur jener Zeit stehen. Die ausgeführten Projekte, ungebauten Visionen, sowie die medialen Praktiken und Organisationsstrukturen der drei Büros dienen uns als Forschungsgegenstand. Daneben werden weitere, schweizweit agierende Akteur:innen einbezogen, wie etwa das Militär, die Strassenbaubehörden, die SBB, die PTT und andere. Mit den ausgewählten Büros und den wichtigsten nationalen Institutionen sind pars pro toto diejenigen Planenden und Entscheidungsträger:innen in den Fokus genommen, die zu Zeiten einer massiv gesteigerten Bauproduktion massgeblich an der Gestaltung der gebauten Umwelt der Schweiz beteiligt waren.